Fokus Alphabetisierung: Assetou Sidibé und Sounounkou Daou aus Mali erzählen

Was bedeutet es, als Erwachsene*r lesen und schreiben zu lernen, was sind Herausforderungen und wie verändert sich das eigene Leben dadurch? Wir haben Lernende aus Projekten in unseren afrikanischen Partnerländern gefragt.

Was bedeutet es, als Erwachsene*r lesen und schreiben zu lernen, was sind Herausforderungen und wie verändert sich das eigene Leben dadurch? Wir haben Lernende aus Projekten in unseren afrikanischen Partnerländern gefragt.
 

Assetou Sidibé ist 28 Jahre alt und lebt in Kalaban Coro Kulubleni, Mali.

Warum wollten Sie lesen und schreiben lernen?

Ich war Verkäuferin im Einzelhandel. Ich konnte weder lesen noch schreiben und auch nicht gut rechnen. Ich hatte zum Beispiel große Probleme mit dem Zählen von Geld und dem Herausgeben von Wechselgeld. Als ich von dem Alphabetisierungskurs erfuhr, ergriff ich sofort die Chance und schrieb mich ein.

Was war das Schwierigste am Lernen als Erwachsene?

Ich habe keine besonderen Schwierigkeiten beim Lernen als Erwachsene bemerkt. Ich denke, dass die Schwierigkeiten eher auf Seite der Lehrkräfte zu sehen sind. Sie brauchen viel Ausdauer und Engagement, um uns Erwachsene zu unterrichten – was gar nicht so einfach ist. 

Was bedeutet das Lernen für Sie? Wie hat sich Ihr Leben verändert?

Ich kann jetzt viele Namen schreiben und in meinem Telefon erkennen. Und ich kann auch viele Dinge lesen. Das ist ein großer Vorteil für mich, besonders im Berufsalltag. Wir Erwachsene benötigen insbesondere praktisches Wissen, um unser tägliches Leben zu verbessern. Ein Beispiel: Wie soll jemand auf dem Markt seine Ware verkaufen, wenn er oder sie nicht weiß, wie man 3 kg abwiegt oder wie viel Wechselgeld man herausgeben muss. Ich habe heute ein kleines Geschäft und kann jetzt das Abwiegen und die Berechnungen selbst erledigen. Der Alphabetisierungskurs hat mein Leben verändert und war eine große Chance für mich. Ich danke Gott wirklich.

Welche Botschaft möchten Sie anderen Erwachsenen mitgeben, die nicht lesen und schreiben können?

Ich möchte allen Erwachsenen in unserer Gemeinde raten, sich in unserem Verein vorzustellen, und sie ermutigen, an unserem Alphabetisierungskurs teilzunehmen. Ich habe schon mit vielen Menschen gesprochen, die bereit sind, bei der nächsten Sitzung mitzumachen, und ich erzähle ihnen immer von meinen eigenen positiven Erfahrungen.

Sounounkou Daou ist 40 Jahre alt und lebt mit ihrer Familie in der Gemeinde Nossombougou in Mali.

Warum wollten Sie lesen und schreiben lernen?

Ich bin in meinem Leben nie zur Schule gegangen. Ich musste mir ständig jemanden suchen, der mir beim Lesen und Schreiben hilft, vor allem bei den Telefonnummern, und manchmal hatte einfach keiner Zeit. Deshalb habe ich den Kurs begonnen.

Was ist das Schwierigste am Lernen als Erwachsene?

Die größte Hürde ist es, bei starkem Regen den Fluss zu überqueren, um zum Alphabetisierungszentrum zu gelangen, da wir ein wenig vom Zentrum entfernt leben. Und wenn es stark regnet, können wir nicht am Kurs teilnehmen. Abgesehen davon kann uns die Entfernung nicht vom Kursbesuch abhalten, denn wenn man das Lernen wirklich ernst nimmt, dann ist das kein Hindernis. Uns Erwachsene, die wir auf freiwilliger Basis lernen, kann man nicht zum Lernen zwingen, für uns muss sich die Teilnahme lohnen. Unser REFLECT-Alphabetisierungskurs[1] basiert auf einer gemeinsamen Reflexion über ein bestimmtes Problem und seine Lösungen beruhen auf einem Konsens zwischen uns. Wir werden alle beteiligt und lösen gemeinsam Probleme in unserer Gemeinschaft.

Was bedeutet das Lernen für Sie? Wie hat sich Ihr Leben verändert?

Der erste Vorteil ist, dass ich jetzt mehrere Namen und Telefonnummern in meinem Telefon erkennen und meine gesamte Kommunikation selbst in die Hand nehmen kann. Früher konnte ich nicht nach Telefonnummern suchen, heute kann ich es. Ich muss niemanden mehr um Hilfe bitten. Wenn ich allein zu Hause bin, gehe ich oft die Buchstaben durch, die wir gelernt haben. Wenn meine Kinder aus der Schule nach Hause kommen, bitte ich sie, mir ihre Hefte zu zeigen, damit ich nachprüfen kann, was sie in der Schule gemacht haben, und ich stelle ihnen ein paar Fragen zum Unterricht. Das ist ein großer Vorteil für mich, denn meine Kinder haben mehr Respekt vor mir, wenn sie wissen, dass ich ihre Leistungen überprüfen kann. Wir haben in dem Kurs auch viele hilfreiche Dinge über Lebensmittelverarbeitung gelernt, wie man Lebensmittel trocknet, konserviert und verarbeitet.

Welche Botschaft möchten Sie anderen Erwachsenen mitgeben, die nicht lesen und schreiben können?

Ich versuche immer wieder Menschen in meiner Nachbarschaft zu motivieren, an einem REFLECT-Alphabetisierungskurs teilzunehmen. Momentan gibt es zwar keine freien Plätze mehr, aber alle können ins Zentrum kommen und sich auf die Warteliste setzen lassen.

[1] Die REFLECT-Methode ("Regenerated Freirean Literacy Through Empowering Community Techniques“) ist ein partizipativer Ansatz, bei dem die Teilnehmer*innen in sogenannten REFLECT-Zirkeln zusammenkommen, um gemeinsam lesen, schreiben und rechnen zu lernen und dabei verschiedene Aspekte ihres alltäglichen Lebens zu analysieren und in den Lernprozess einzubeziehen.

 

Alphabetisierung – eine globale Herausforderung

Lesen und schreiben zu können ist für viele Menschen keine Selbstverständlichkeit. Noch immer können weltweit 750 Millionen Erwachsene nicht lesen und schreiben, zwei Drittel davon sind Frauen. Ihre Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben ist dadurch stark eingeschränkt.

Vor allem in Afrika ist die Analphabet*innenrate nach wie vor hoch. DVV International setzt sich dafür ein, möglichst vielen Menschen in seinen afrikanischen Partnerländern den Zugang zu Bildung und Grundbildung zu ermöglichen. Dafür sind dauerhafte Bildungsstrukturen notwendig. DVV International betreibt dazu Lobbyarbeit und berät Regierungen, stärkt Bildungsorganisationen und entwickelt Konzepte für innovative Bildungsangebote für Erwachsene.

Die von DVV International unterstützten Alphabetisierungskurse verbinden Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen mit alltagsrelevanten Kompetenzen beispielsweise in den Bereichen Gesundheit, Ackerbau, Unternehmensführung oder Bürgerkunde. Dies kommt insbesondere Frauen zugute und fördert ihre Unabhängigkeit und Teilhabe am öffentlichen Leben.

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