Was bedeutet es, als Erwachsene*r lesen und schreiben zu lernen, was sind Herausforderungen und wie verändert sich das eigene Leben dadurch? Wir haben Lernende aus Projekten in unseren afrikanischen Partnerländern gefragt.
Was bedeutet es, als Erwachsene*r lesen und schreiben zu lernen, was sind Herausforderungen und wie verändert sich das eigene Leben dadurch? Wir haben Lernende aus Projekten in unseren afrikanischen Partnerländern gefragt.
Isabel Ventura Jasse, geboren in den 1970er Jahren, lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Vila Sede, Mosambik. Durch ihre körperliche Behinderung ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Seit 2023 nimmt sie an einem Alphabetisierungskurs teil.
Ich wollte vor allem meinen Namen und den meines Mannes schreiben können. So kann ich wichtige Verträge und Formulare unterzeichnen und weiß, was ich wo eintragen muss.
Als ich geboren wurde, gab es keine Schulen in der Nähe, sie waren alle sehr weit von unserem Zuhause entfernt. Aufgrund meiner körperlichen Behinderung bin ich auf einen Rollstuhl angewiesen und in meiner Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt. Und dann waren da noch die bewaffneten Konflikte des 16-jährigen Kriegs in Mosambik, von denen auch unser damaliger Bezirk Muanza betroffen war.
Am schwierigsten war es, Mathematik zu lernen, die Sprache der Zahlen zu verstehen. Meine Trainerin hat mir dabei sehr geholfen und mir nicht nur Mathematik, sondern auch das Lesen des Alphabets beigebracht. Ich wurde von den Trainer*innen und Mitschüler*innen immer auf Augenhöhe behandelt und nicht aufgrund meiner Behinderung diskriminiert.
Mein Leben hat sich zum Positiven gewendet, und auch mein Verhältnis zu meiner Familie und unserer Gemeinschaft hat sich verbessert. Ich fühle mich jetzt mehr respektiert und besser integriert. Ich kann meinen vollen Namen schreiben, kenne die Grundrechenarten, weiß, wie man Tomatenmarmelade herstellt und wie ich einen Sparplan für mein Geld anlege.
Ich rate allen, und insbesondere auch Menschen mit Behinderungen, keine Angst zu haben, und sich für ein Alphabetisierungsprogramm anzumelden: Es erleichtert euch die Teilnahme an der Gemeinschaft, und ihr könnt auch die öffentliche Politik mitgestalten. Wenn ihr lesen und schreiben könnt, ist es auch viel einfacher, Bankpapiere und andere Dokumente zu unterschreiben.
Fernando Timóteo ist Anfang 40 und lebt mit seiner Familie in Vila Sede, Mosambik. Er lebt vom Fischfang, der die Lebensgrundlage für sich und seine Familie bildet. Seit 2021 nimmt er an einem Alphabetisierungskurs teil.
Ich wollte vor allem meinen Namen schreiben können, aber auch noch mehr Kenntnisse in den Fächern Portugiesisch und Mathematik erwerben.
Wir waren sehr viele Kinder und mein Vater konnte es sich nicht leisten, mich zur Schule zu schicken. Stattdessen musste ich früh das Fischen lernen, um die Familie zu unterstützen. Damals wurde der Schule in unserer Gemeinde keine große Bedeutung beigemessen, viele Erwachsene hatten keine Schulbildung.
Aufgrund meines Alters und auch weil ich ein Mann inmitten vieler Frauen in der Klasse war, wurde ich von anderen teilweise verspottet. Es war nicht immer einfach, mich in die Klasse zu integrieren. Wir hatten auch nicht genug Schulbücher, und ohne die erklärenden Zeichnungen war es manchmal schwierig, die Inhalte zu verstehen. Auch ist es mir schwergefallen, das Alphabet auswendig zu lernen.
In meinem Leben hat sich vieles zum Besseren gewandelt. Ich kann jetzt Kontakte in meinem Telefon hinzufügen und meinen Kindern bei den Hausaufgaben helfen. Unser Kursleiter hat mir außerdem einige neue Fischereitechniken beigebracht und mir gezeigt, wie ich einen Sparplan aufstellen kann.
Gerade die Männer möchte ich ermutigen, ihre Scham zu überwinden und an einem Kurs teilzunehmen. Das Lesen und Schreiben wird euch das Leben sehr erleichtern!
Lesen und schreiben zu können ist für viele Menschen keine Selbstverständlichkeit. Noch immer können weltweit 750 Millionen Erwachsene nicht lesen und schreiben, zwei Drittel davon sind Frauen. Ihre Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben ist dadurch stark eingeschränkt.
Vor allem in Afrika ist die Analphabet*innenrate nach wie vor hoch. DVV International setzt sich dafür ein, möglichst vielen Menschen in seinen afrikanischen Partnerländern den Zugang zu Bildung und Grundbildung zu ermöglichen. Dafür sind dauerhafte Bildungsstrukturen notwendig. DVV International betreibt dazu Lobbyarbeit und berät Regierungen, stärkt Bildungsorganisationen und entwickelt Konzepte für innovative Bildungsangebote für Erwachsene.
Die von DVV International unterstützten Alphabetisierungskurse verbinden Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen mit alltagsrelevanten Kompetenzen beispielsweise in den Bereichen Gesundheit, Ackerbau, Unternehmensführung oder Bürgerkunde. Dies kommt insbesondere Frauen zugute und fördert ihre Unabhängigkeit und Teilhabe am öffentlichen Leben.