Schulung für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren „Macht Strukturen! Klassismus und Globales Lernen“ – Interview mit der vhs Bonn

Titel: Macht Strukturen! Klassismus und Globales Lernen
Vhs: Bonn
Format: Online-Fortbildung für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Globalen Lernen
Methoden: Gruppenarbeit, Gesprächskreis/Diskussion, Rollenspiel, Biografie-Arbeit

Diese Fortbildung richtete sich an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus dem Bereich des Globalen Lernens / Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).  In dem viertägigen Seminar wurden globale Ungleichheiten und Diskriminierungen anhand der Differenzlinie der Klassenzugehörigkeit analysiert und die eigene Bildungspraxis daraufhin reflektiert. Aufgrund der Corona-Lage wurde die Veranstaltung virtuell durchgeführt.

Herr Preu, Sie haben im Frühjahr 2021 die Schulung für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Macht Strukturen! Klassismus und Globales Lernen durchgeführt.  Um welche Machtstrukturen ging es in der Fortbildung?

Es ging um Klassismus, also Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft oder Klassenzugehörigkeit. Klassismus richtet sich gegen einkommensarme, erwerbslose und wohnungslose Menschen, aber auch Kinder von Arbeiterinnen und Arbeitern. Die Schulung sollte helfen, Klassismus besser zu verstehen, seine Bedeutung für die eigene Bildungsarbeit zu klären und Erlerntes in Arbeitsstrukturen einzubringen. Die Teilnehmenden stellten sich die Fragen: Wo findet sich in den Arbeitsstrukturen und Materialien Klassismus? Denken die verwendeten Methoden klassismuskritische Aspekte mit? Wie bin ich selbst in Klassismus verstrickt, und aus welcher Position spreche ich?

Das Thema ist eher ungewöhnlich im Bereich des Globalen Lernens, wieso haben Sie eine Fortbildung zu diesem Thema angeboten?

Bereits 2019 hatten wir – ebenfalls mit Unterstützung von DVV International – eine Fortbildung für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren angeboten, in der es um Sexismus, Rassismus und Klassismus ging. Dabei hat sich gezeigt, dass es für den Umgang mit den beiden ersten Themen viel mehr Material, Erfahrungen und Best Practices gibt als im Zusammenhang mit Klassismus. Wir haben uns deshalb entschieden, diesem Thema eine eigene Fortbildung zu widmen.          

Was hat denn der Begriff Klassismus mit dem Globalen Lernen zu tun und wieso sollten sich insbesondere Bildnerinnen und Bildner mit dieser Thematik auseinandersetzen?

In der Auseinandersetzung mit Machtstrukturen, wie sie sich im Klassismus manifestieren, ist das Verhältnis zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Norden mit seinen Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen elementar. Ausbeutungsverhältnisse, deren Ursachen auch im Globalen Norden liegen und soziale Kämpfe von Arbeiter*innenbewegungen im Globalen Süden spielen eine wichtige Rolle. Die Corona-Pandemie hat Bezüge zwischen Klassismus und globalen Interdependenzen sehr deutlich gemacht: Es zeigt sich etwa auf struktureller Ebene, dass Obdachlose oder von Klassismus betroffene Menschen im Globalen Süden sowie Geflüchtete kaum von Schutzmaßnahmen profitieren. Dadurch werden manche Menschen sozusagen doppelt benachteiligt – durch das Ungleichgewicht zwischen Globalem Norden und Globalem Süden und zusätzlich noch durch den Klassismus im eigenen Land. Auf diese Problematik wollten wir mit der Fortbildung aufmerksam machen, was ja auch der Grundgedanke des „Niemanden Zurücklassen" („Leave no one behind“) Prinzips der Agenda 2030 ist.

Sie mussten die Veranstaltung aufgrund der pandemischen Lage in den virtuellen Raum verlegen. Was waren dabei Herausforderungen und wie sind Sie damit umgegangen? 

Zunächst haben wir zusammen mit den Seminarleiterinnen Lea Carstens und Katharina Donath die Inhalte, die eigentlich an zwei achtstündigen Kurstagen vermittelt werden sollten, auf kürzere Einheiten an vier Tagen verteilt. So gaben wir den Teilnehmenden die Möglichkeit, konzentriert dabei zu sein. Uns war es wichtig, Aspekte des Globalen Lernens umzusetzen. Deswegen haben wir bei den Erfahrungen der Teilnehmenden angesetzt und diese mit in die Fortbildung eingebracht. Dies ist auch im digitalen Raum gut möglich. Des Weiteren haben wir mit einem gemeinsamen Whiteboard gearbeitet, das über die Zeit gewachsen ist, ähnlich wie Flipcharts, die sonst an Stellwänden in Seminarräumen entstehen.

Welche Tipps haben Sie an Kolleginnen und Kollegen aus anderen vhs, die eine Fortbildung für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ins Digitale verlegen möchten?

Wir sind von den eigenen Erfahrungen im digitalen Raum ausgegangen; wann empfinde ich die Arbeit im digitalen Raum als besonders produktiv und was braucht es dafür? Wichtig ist es, Alltagsbezüge und Erfahrungen auch im digitalen Raum mit aufzugreifen. Ein frontaler Input kann an mancher Stelle passend sein, aber sicher nicht für ein längeres Seminar. Hier braucht es interaktive Elemente, die sich über verschiedene Tools und vor allem in Kleingruppenarbeiten gut herstellen lassen.

Inwiefern sind die Themen des Globalen Lernens auch über diese Veranstaltung hinaus Thema an Ihrer Volkshochschule?

Seit elf Jahren organisieren wir in jedem Semester Themenschwerpunkte, die sich an den SDGs (vor 2015 den MDGs) orientieren. Da die SDGs die Länder des Globalen Nordens in die Pflicht nehmen, ist der Ausgangspunkt der Reihen stets der lokale Erfahrungshorizont der Bonnerinnen und Bonner. Regionale Reihen zu Afrika, Lateinamerika, dem Maghreb und Südostasien sollen den Blick weiten und thematisieren die Bedeutung der SDGs für den Globalen Süden.

Haben Sie bereits Ideen für weitere Veranstaltungen zum Themengebiet des Globalen Lernens?

Im 2. Halbjahr 2021 steht SDG 17 „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“ im Mittelpunkt. Das ist ein bunter Bauchladen mit Unterzielen wie „Stärkung der finanziellen Situation der Entwicklungsländer“, „Fairer Handel“ und „Technologie- und Wissenstransfer“. So gesehen steht das gesamte Semester im Zeichen des Globalen Lernens.

Vielen Dank für das Interview!

Andreas Preu leitet den Fachbereich „Politik, Wissenschaft und Internationales“ an der vhs Bonn.

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