Wie kann meine vhs nachhaltiger werden?

Interview mit der vhs Duisburg zur Multiplikator*innen Veranstaltung „Globales Lernen in der VHS und die Agenda 2030 – Der Whole Institution Approach“

Titel: „Globales Lernen in der vhs und die Agenda 2030 - Der Whole Institution Approach – Ein Instrument zur strukturellen Verankerung entwicklungspolitischer Themen in der vhs“
Vhs: Duisburg
Format: Fortbildung für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Globalen Lernen
Methoden: Workshop/Vortrag, Gruppenarbeit, Diskussion

Diese Fortbildung brachte Akteurinnen und Akteure unterschiedlicher Fachbereiche der Stadt Duisburg an einen Tisch: Die vhs Duisburg, die Stadtbibliothek, das Umweltamt sowie die Stabsstellen Klimaschutz und Duisburger Filmwoche. Gemeinsam wurde überlegt, wie eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie der beteiligten Institutionen auf inhaltlicher und institutioneller Ebene aussehen könnte.

 

Frau Turac, im Sommer 2021 haben Sie die Multiplikator*innen Veranstaltung zum Thema „Globales Lernen in der vhs und die Agenda 2030 – Der Whole Institution Approach“ organisiert und durchgeführt. Was genau war das Ziel, das Sie sich für die Veranstaltung gesetzt hatten?

Die vhs Duisburg teilt sich einen Gebäudekomplex mit der Stadtbibliothek Duisburg. Der Ausgangspunkt war die Frage: Wie können wir gemeinsam zukunftsorientierter und nachhaltiger werden und dies auch strukturell verankern? Das langfristige Ziel ist es, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Organisationsentwicklung beider Einrichtungen zu verankern. Aus den Ergebnissen der Veranstaltung wollen wir ein mehrdimensionales Nachhaltigkeitskonzept für die vhs Duisburg formulieren. Der Rahmen der Veranstaltung war gut, um zu sehen was es woanders schon gibt, was gut klappt, und was wir als Institution übernehmen können, um bei uns Veränderungen herbeizuführen.

Ein sehr komplexes Ziel. Wie hat die Veranstaltung dazu beitragen können?

Ein großer Mehrwert der Veranstaltung war die interdisziplinäre Zusammensetzung der Stakeholder*innen. Nicht nur Kolleginnen und Kollegen verschiedener Fachbereiche der vhs Duisburg waren anwesend, sondern auch Akteurinnen und Akteure der Stadtbibliothek Duisburg, der Stabsstellen Klimaschutz und der Duisburger Filmwoche auf Leitungs- und Verwaltungsebene, um die unterschiedlichen Arbeits- und Handlungsbereiche abzubilden.

Zum Gelingen der Veranstaltung haben der Rückhalt und die Unterstützung unseres vhs-Direktors, Volker Heckner, beigetragen. Wir haben gemeinsam zum Workshop eingeladen und viele Kolleginnen und Kollegen sind dieser Einladung gefolgt. So war und ist unsere vhs-Leitung von Anfang an deutlich sichtbar gewesen und signalisierte, wie wichtig ihr der Themenbereich sowie die Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist. Diesen Umstand darf man nicht unterschätzen, will man auf struktureller Ebene Veränderungen herbeiführen. 

Inwiefern hat die Veranstaltung dabei geholfen, verschiedene Stakeholder*innen zu vernetzen? Braucht es solche Formate für diese Art der Vernetzung?

Ja, weil der Alltag einfach wenig Zeit hergibt, um sich zusammenzusetzen und intensiv auszutauschen. Es hat einen sehr großen Mehrwert, wenn Menschen unterschiedlicher Disziplinen zusammenkommen und unterschiedliche Ideen und Erfahrungen zusammentragen. Während der Veranstaltung war es großartig zu sehen, was alles schon im Bereich Nachhaltigkeit getan wird. Der Hauptsitz der vhs Duisburg ist beispielsweise nach den neuesten Standards klimafreundlich gebaut, was vorher noch nicht allen Teilnehmenden bewusst war. Zudem haben wir erfahren, dass die Kolleginnen und Kollegen aus der Stadtbibliothek bereits ein World-Café für Mitarbeitende zum Thema BNE organisiert und durchgeführt hat. Es war sehr positiv zu sehen, dass da schon einiges passiert, aber keiner wusste von den Aktivitäten der Anderen. Es hat uns noch mal mehr gezeigt, dass es in den Kommunen viele Mitarbeitende gibt, denen das Thema sehr am Herzen liegt. Außerdem beobachten wir, dass die Themen um BNE und Nachhaltigkeit bundesweit an politischer Bedeutung zugenommen haben und von vielen Trägern auf die Agenda gesetzt werden. Diese beiden Stränge kann man sehr gut zusammenführen, die Motivation von Mitarbeitenden auf der einen Seite, aber auch den Goodwill der Leitung auf der anderen Seite. Ich glaube, dass das unglaubliche Synergien erzeugen kann.

Wenn man als vhs nun aus dieser Motivation Taten entstehen lassen möchte, was sind dann konkrete Beispiele zur Verankerung von BNE?

Auf der einen Seite kann BNE als Querschnittsthema in die Programmgestaltung der vhs einfließen. Wir haben beispielsweise über den Sprachenbereich gesprochen und planen langfristig Fortbildungen von Sprachdozent*innen, um BNE und das Globale Lernen im Sprachenbereich zu implementieren. Der Deutsche Volkshochschulverband (DVV) verfügt über thematisch und didaktisch gut aufbereitetes Material, das wir als vhs in der Fortbildung von Kursleitenden einsetzen können. Dafür werden wir die Materialien des Projektes ‚Globales Lernen in der vhs‘ zum Thema Sprachkurse als Grundlage nutzen.

Auf der anderen Seite ist es wichtig, BNE auch institutionell zu verankern, damit es nicht bei einzelnen Aktionen oder Aktivitäten bleibt. Durch die institutionelle Verankerung kann BNE langfristig wirkende Standards setzen, mit einem ganzheitlichen Blick auf die gesamte Institution, den sie umgebenden Rahmenbedingungen und ihre Einbettung in die kommunale Struktur. Um einen solchen Prozess anzustoßen und umzusetzen ist der Rückhalt durch die vhs Leitung fast unabdingbar, will man das Engagement der Mitarbeitenden dauerhaft aufrechterhalten und gesetzte Ziele zum Erfolg führen. In der Organisationsentwicklung spricht man hier von einem Top-Down- und Bottom-Up-Prinzip. Im Optimalfall ergänzen sich diese beiden Ansätze.

Wichtig bei solch einem Prozess ist eine Bestandsaufnahme des Istzustandes innerhalb der Institution und in den Programmbereichen. Folgende Fragen können zu Beginn helfen, die eigenen Strukturen und das eigene Handeln zu hinterfragen und erste kleine Schritte zur Veränderung beizutragen: Haben wir in unserer Einrichtung eine Mülltrennung und wie wird getrennt? Achten wir bei der Beschaffung von Kaffee auf das Fair Trade Siegel? Was ist der Standard bei der Verpflegung von Teilnehmenden – bieten wir veganes Essen an oder sind fleischhaltige Gerichte der Standard?  Wie klimafreundlich werden unsere Druckprodukte produziert? Diese und weitere Fragen helfen, sich einen Überblick zu verschaffen, eine Bestandsaufnahme festzuhalten, Ziele zu formulieren und einzuordnen, welche Ziele kurz- und welche langfristig zu realisieren sind und vor allem welche Partner, Akteure und Ämter einzubinden sind, um Veränderungsprozesse innerhalb der eigenen Organisation anzustoßen.

Um ein Beispiel für die Einbindung / Kooperation mit Partnern zu geben: In Zusammenarbeit mit dem Umweltamt überlegen wir, wie wir vhs Gebäude energieeffizient gestalten können.  Gemeinsam mit den Kolleg*innen vom Umweltamt und den Stadtwerken Duisburg haben wir die vhs-Gebäude daraufhin begutachtet und sind zu dem Schluss gekommen, dass sich Photovoltaik Anlagen rentieren könnten. Für den weiteren Prozess müssen Gespräche mit weiteren Ämtern auf Leitungsebene geführt werden, wie z.B. mit dem Gebäudemanagement. Diese Aufgabe übernehmen z.B. die Kolleg*innen vom Umweltamt, weil es strukturell sinnvoller ist. Dieses Beispiel macht deutlich, was die Einbettung der vhs in die kommunale Struktur unter anderem bedeutet und wie und warum die Einbeziehung / Kooperation mit weiteren Ämtern wichtig sein kann. Bei der Umgestaltung unserer Grünanlagen arbeiten wir ebenfalls zusammen. Das ist eine wirklich schöne Zusammenarbeit, weil hier Synergieeffekte entstehen und eine sinnvolle Arbeitsteilung erfolgt – jeder bringt seine Stärken, Fähigkeiten, Netzwerke, Kontakte ein.

Die Maßnahmen, die Sie hier beschreiben, konzentrieren sich ja sehr auf die lokale Ebene. Ist es Ihnen trotz des Ziels, Lösungen für den Nahbereich zu finden, gelungen, auch die globale Perspektive mit in die Veranstaltung einzubringen?

Wir hatten mit Eva Heinold-Krug eine tolle Referentin. Sie hat eine alltagsbezogene Gruppenarbeit zum Thema Bäckereien mit uns durchgeführt. Wir waren als Gruppe gefordert zu überlegen, was alles passieren muss, damit eine Bäckerei nachhaltig gestaltet werden kann. Hier ging es eben nicht nur um die Bäckerei selbst, sondern auch um die Herkunft des Getreides, den Anbau, die Lieferwege, die Verpackung, das Leitbild der Bäckerei und der Lieferant*innen, die Fortbildung der Mitarbeitenden in der Bäckerei etc. Die Übung hat deutlich gemacht, dass gerade bei den Lieferketten und der Vermarktung die globale Perspektive eine entscheidende Rolle spielt. Es ist wichtig, sich auch damit auseinanderzusetzen, wie die Produktionsbedingungen aussehen. Werden Arbeitnehmer*innen vernünftig bezahlt? Hier geht es um gerechte Bezahlung; ein wichtiger Aspekt nachhaltiger Entwicklung. Oder welche Düngemittel werden eingesetzt? Wie gesundheitsgefährdend sind sie für die Arbeitnehmer*innen auf dem Feld? Für die Endverbraucher*innen? Das sind Aspekte, die Nachhaltigkeit ebenfalls umfasst und uns in der thematischen Auseinandersetzung für die globale Perspektive sensibilisiert.

Welche abschließenden Tipps haben sie für Volkshochschulen, die eine ähnliche Veranstaltung organisieren wollen?

Der wichtigste Tipp ist sicherlich, alle Kolleginnen und Kollegen mitzunehmen und die Leitung von Anfang an mit einzubinden. Es war beispielsweise sehr schön und wichtig, dass unsere Leitung die Veranstaltung eröffnet und beendet hat. Das hat der Fortbildung noch mal eine andere Bedeutung gegeben und drückt auch Wertschätzung aus, auch gegenüber den Teilnehmenden. Zudem ist es für eine langfristige und nachhaltige institutionelle Verankerung der BNE wichtig, dass solche oder ähnliche Fortbildungsformate verstetigt werden, um einen gemeinsamen Entwicklungs- und Austauschprozess in Gang zu bringen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es Rahmenbedingungen und einen Anlass braucht, um Menschen unterschiedlicher Disziplinen zusammenzuführen. Das ist bei dieser Veranstaltung sehr gut gelungen. Hier hoffen wir natürlich auf die weitere Unterstützung des DVV International.

Wir würden uns freuen, auch weitere Formate dieser Art zu unterstützen. Vielen Dank für das Interview, Frau Turac!

Marissa Turaç ist Fachbereichsleiterin Bildung für nachhaltige Entwicklung, interkulturelle Bildung, Hauswirtschaft und Verbraucherbildung der vhs Duisburg sowie Regionalleiterin der VHS Duisburg-Nord.

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